Ayan Yuruk im Interview über Engagement, Angst und Akzeptanz
Wer denkt, dass ein paar Einrichtungstipps ganz sicher kein Leben verändern können, der wurde spätestens durch das Format "Queer Eye" eines besseren belehrt: Fünf queere Experten unterschiedlichster Gebiete krempeln alle Lebensbereiche eines Menschen um. Das amerikanische TV-Vorbild feierte 2018 auf der Streamingplattform Netflix ein fulminantes Comeback nach zehn Jahren und mit neuer Besetzung. Mittlerweile haben die liebevoll "Fab 5" genannten in fünf Staffeln zahlreiche sogenannte "Makeover" angestoßen und haben Unterstützung von fünf fabelhaften Lebensverbesserern in Deutschland bekommen.
Ayan Yuruk ist einer dieser fünf und hat als Unternehmer und Kreativdirektor die vier Wände der Teilnehmer:innen in Rückzugsorte verwandelt, in denen man Kraft tankt und die die eigene Persönlichkeit widerspiegeln – dafür gab es 2023 sogar einen Grimmepreis. Als türkisch-deutscher LGBTQ ist es für ihn eine Herzensangelegenheit, sich für Chancengleichheit und Repräsentation einzusetzen – mit besonders kreativen Konzepten.
Ayan Yuruk im GALA-Interview
GALA: Ayan, du hast kürzlich mit deinem Event "TSI“ für Furore gesorgt – was hat das Event so besonders gemacht und warum gab es sowas noch nicht?
Ayan Yuruk: Naja, Heidi hat Halloween in New York und Ayan hat TSI in Berlin. (lacht) Ayan aka Cinderella flieht gerne mal in eine Phantasiewelt. Spaß beiseite. Ich erkläre euch kurz den Hintergrund. TSI, "The September Issue" ist ursprünglich entstanden, weil ich im September meinen Geburtstag ein zweites Mal gefeiert habe. Ja, ich weiss, das hört sich weird an, aber ich liebe es, Events zu hosten. Also warum nicht alle sechs Monate Geburt feiern? (lacht). Das sollte ein Zusammenführen von tollen Menschen und Persönlichkeiten werden, und zwar jedes Jahr unter einem anderen Motto. Was dieses Jahr "Hell-Fire Edition" hieß, vorherige Events waren zum Beispiel "Golden Gods" oder vor drei Jahren gab es sogar eine Barbie-Edition. Neben dem Spaß suche ich jedes Jahr ein akutes Hilfsprojekt aus, wofür wir Spenden sammeln anstelle eines Geburtstagsgeschenks.
Du setzt dich mit Herzblut für gesellschaftliche Themen ein. Sei es, um auf Probleme hier oder in den USA hinzuweisen, und setzt auch gerne mit Mode politische Statements. Was würdest du dir von der Gesellschaft für einen Support wünschen, damit du nicht immer vorneweg marschieren musst?
Unsere Gesellschaft wird immer stärker von einer emotionalen Mauer gespalten und das macht mir Angst. Dabei könnte es so einfach sein, wenn wir einander gönnen würden, könnten wir es schaffen, gemeinsam eine inklusive Gesellschaft zu bilden, ohne Furcht und Angst! Es muss nicht gleich Liebe füreinander da sein, machen wir uns nichts vor, aber Toleranz und Akzeptanz können wir erreichen. Wir können uns gegenseitig zuhören, auch wenn wir anderer Meinung sind. Wir können uns füreinander einsetzen, auch wenn wir unterschiedlich sind.
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Wenn du drei Themen benennen müsstest, für die du dich besonders einsetzt, welche wären das?
Gleichberechtigung LGBTQIA+ , Rassismus gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland, Mentorship für Fabulousness
Du bist ein tolles Vorbild. Welche Menschen sind deine Vorbilder?
Ich bin leider ohne Vorbilder aufgewachsen, ich konnte mich mit niemandem so wirklich identifizieren, vor allem nicht in der deutschen Medienlandschaft. Heute würde ich meinen Baba vielleicht nicht als Vorbild, sondern eher als mein Hero bezeichnen. Er kam aus dem tiefen Anatolien ganz allein nach Deutschland und erfüllte hier aus dem Nichts seinen German Dream. Seine einzige Hingabe war es, seinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Als Kind haben wir nicht viel gehabt und ich habe mich für unseren Lifestyle geschämt. Heute bin ich so unendlich dankbar. Vor allem auch, weil er mich so akzeptiert, wie ich bin, was für einen türkischen Dad aus der Generation nicht selbstverständlich ist.
Was können wir alle einzeln tun, um die LGBTQIA+-Community zu schützen und zu stärken?
Allem vorweg Akzeptanz zeigen. Wir sind alle unterschiedlich und das ist auch gut so, stell dir vor, es wäre nicht so. Wie langweilig wäre unsere Gesellschaft?
Aber wie können wir unseren Beitrag zu mehr Inklusion leisten? Wenn du in einer Gruppe bist und jemand eine homophobe oder transphobe Bemerkung macht, sage etwas dagegen. Du kannst beispielsweise sagen: "Das ist nicht in Ordnung" oder "Ich finde das nicht lustig.” Anfangs ist das gar nicht so einfach, selbst mir fiel es schwer, aber glaubt mir, es fühlt sich super an, nachdem ihr den Mut zusammengenommen habt und es raushaut.
Sonst würde ich sagen, dass wir sensibler und inklusiver in der Formulierung unserer Fragen sein sollten. Stelle die Frage ohne vorzugeben, was deine Erwartung ist, z.B. ‘Bist du gerade in einer Beziehung?’ statt ‘Hast du eine Freundin?’ Ich habe mich in solchen Situationen immer sehr schlecht gefühlt, der Erwartung der Fragenden zu widersprechen und habe oftmals nur geantwortet "Nein, ich habe keine Freundin”. Ich bin Gay und hatte einen Freund, aber danach fragte die Person ja nicht. Wir sollten über das heteronormative Gesellschaftsbild hinausschauen.
Du zeigst dein Leben und dein Engagement auch auf Social Media, treffen dich dort auch Hass und Hetze?
Ich habe eine sehr gut definierte “Restrict-Liste” auf all meinen Social Kanälen angelegt und zwar in drei Sprachen und die erweitert sich permanent. Die meisten Hater und Trolle kommen schlichtweg nicht durch, wofür ich sehr dankbar bin. Funktioniert natürlich nicht immer, mich erreichen auch Nachrichten mit Drohungen, was mich sehr traurig stimmt. Es existiert so viel Hass da draußen, dabei wäre es so schön, wenn wir einfach nur leben und leben lassen könnten.
Kürzlich hat Riccardo Simonetti öffentlich gemacht, dass er einen wichtigen Rechtsstreit gewonnen hat, da er gerichtlich gegen die Beleidigung "Transe“ vorgegangen ist. Was können wir in deinen Augen noch gegen Hate Speech unternehmen?
Danke, dass du den Fall aufbringst, ein toller Backup für unsere Community. Hate Speech ist ein ernstzunehmendes Problem, das wir alle bekämpfen müssen. Wir können uns selbst gegen Hate Speech positionieren, indem wir uns gegen Beleidigungen und Diskriminierung aussprechen. Bildung und Aufklärung sind natürlich wichtig, um die Menschen für die Gefahren von Hate Speech zu sensibilisieren. Außerdem sollten wir uns dafür einsetzen, dass die Ergänzung des Antidiskriminierungsgesetzes Artikel 3 Absatz 3 noch in dieser Legislaturperiode durchgewinkt wird, damit niemand wegen der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität benachteiligung erleidet. Das ist längst überfällig.
Du warst geliebter Teil von "Queer Eye Germany“ und hast da die vier Wände der Kandidat:innen verschönert. Jetzt wollen wir aber natürlich auch von dir wissen, welche Interiortipps du auf Lager hast. Welche Dinge machen jedes Zuhause schöner?Wow, was für eine Steilvorlage! Da muss ich jetzt drauf springen, sorry. Ich starte in den kommenden Tagen auf TikTok eine neue Serie, “100 Interior Glow Up Tips” – schaut da gerne mal rein. Aber was ich euch schon mal mitgeben kann: Ordnung und Struktur machen jedes Zuhause so viel schöner und das sage ich nicht nur, weil ich einen OCD habe. (lacht)
Und was sind deine absoluten Einrichtungs-No-Gos?
Boah, wo soll ich da anfangen. Mir schießen grad so viele Bilder in den Kopf, bin ein bisschen überfordert grad. Vielleicht sollte ich meine Serie umbenennen in “100 Interior No-Go’s”. Oder was denkt ihr, liebe Leser:innen? Ein Big No-Go Shout Out: Deine Terrasse oder Balkon ist keine Lagerfläche, auch nicht für Wasserkästen oder Leergut. Erwischt? Hihi …
Du bist absoluter Tausendsassa: Was sind deine nächsten Projekte?
Das hast du gut erfasst, weißt du, ich leide sehr darunter, dass ich so viele unterschiedliche Sachen sehr gerne und auch sehr gut mache – Ich bin eigentlich bescheiden, aber an dieser Stelle musste das halt auch mal raus, ja (lacht). Ich bin Entrepreneur, Moderator, Designer und Branding-Experte, da stehen einige ganz tolle Projekte an. Es bleibt spannend.
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