Ein zweites Leben für Bauteile

In den Sägenhallender CampusVäre wird im Oktober das erste Bauteillager Westösterreichs eröffnet.

Die ersten Teile sind bereits da. „Das sind alte Fenster undeine alte Küche aus einer alten Stadtvilla, die abgerissen wurde. DieBürostühle haben wir von der FH bekommen“, sagt Bettina Steindl und zeigt dabeiauf einzelne Häufchen, die in einer riesigen Halle verteilt sind. BettinaSteindl ist Geschäftsführerin der CampusVäre in Dornbirn. In der Halle 1 desKreativzentrums, den Sägenhallen, entsteht derzeit in Kooperation mit denMaterial­nomaden aus Wien das erste Bauteillager Westösterreichs – ein Bauhausfür ausgebautes Baumaterial sozusagen. Die Heizkörper und Fenster wurden erstunlängst aus einem FH-Gebäude ausgebaut, das adaptiert wird. Die Netzfolie aufdem Haufen nebenan war während des Umbaus des Parlamentes in Wien um dasAusweichquartier gespannt. Auch Lampen und Möbel aus der Villa Müller inFeldkirch sind bereits eingelangt. Die Teile, die sich zur Wiederverwertungeignen, werden in einem Katalog erfasst. Nach der Eröffnung im Oktober kanndann jeder in der Halle einkaufen oder ausgebautes Baumaterial abgeben.

Die Verantwortlichen der CampusVäre haben überhaupt Großesvor. Auf 12.000 m2 soll in denkommenden Monaten eine „Werkstatt zur Entwicklung der Zukunft“ entstehen. Einstbefand sich an dem Standort die Buntweberei F. M. Hämmerle. „Hier drinnen habenbis zu 3000 Menschen gearbeitet“, unterstreicht Bettina Steindl.

Ort für Unternehmen

CampusVäre ist eineWortschöpfung aus Campus V und Atmosphäre. Die Stadt Dornbirn hat dieehemaligen Industriehallen in direkter Nachbarschaft zur FH Vorarlberg im Jahr2000 gekauft. Bislang wurden sie hauptsächlich als Lagerfläche und kurzzeitigfür die wasserbaulichen ­Modellversuche im Rahmen des HochwasserschutzprojektsRhesi genutzt. Doch das soll sich bald ändern. „Die Stadt Dornbirn hat dieHallen in einen Verein eingebracht. Das Land Vorarlberg und die Stadt habengemeinsam den Auftrag an uns erteilt, dass wir diese Hallen entwickeln undeinen Ort schaffen, wie es ihn in anderen Städten schon gibt“, erläutertSteindl. Ein Ort, an dem die verschiedensten Unternehmen die Möglichkeit haben,sich anzusiedeln. Ein Ort, an dem sich die zukünftigen Mieter schon vor demEinzug einbringen können. Als Vorbild dient die Tabakfabrik in Linz.Unverändert bleibt praktisch nur die Halle 3, in der seit Jahren die PAV Präzisions-ApparatebauVaduz eingemietet ist.

Wie groß das Arealtatsächlich ist, wird bei einem Rundgang durch die insgesamt sechs Hallendeutlich. „Es ist eine Kathedrale der Industriekultur“, unterstreicht dieGeschäftsführerin, die vor zwei Jahren das Büro in der Spinnergasse 1 bezogenhat. „Wir sind überzeugt davon, dass das Projekt ein Pionierprojekt und einVorzeigeprojekt für andere Städte ist, weil es ganz viele Städte in Europagibt, die solche Industriehallen haben und eigentlich nicht wirklich wissen,was sie damit tun sollen.“

Auch im Kleinen

Im Büro, das in derehe­maligen Elektrowerkstätte von F. M. Hämmerle untergebracht ist, wird imKleinen vorgelebt, was im Großen entstehen soll. „Einfach um zu zeigen, dasswir es ernst meinen“, unterstreicht Bettina Steindl. Die Stühle sind einmal inder Stadthalle oder in Dornbirner Schulen gestanden. Der Schreibtisch stammtvon der Caritas. Das Wasser wird aus einer Milchflasche gereicht. Das Büroteilt sich das CampusVäre-Team mit dem Expat Service der Wirtschaftskammer unddem Designforum. In die Halle 5, der künftigen Kunst- und Architekturhalle, istKünstler Roland Adlassnigg mit neun weiteren Mieter(inne)n gerade eingezogen,in der alten Shedhalle eröffnet bald das Designforum die erste Ausstellung undin der Halle 4 will CampusVäre zeigen, „wie man so einen Ort umbauen kann“. Einwichtiges Anliegen dabei: Die gut erhaltene Bausubstanz weitgehend unverändertzu lassen und so viel wie möglich mit recycelten und ressourcenschonendenMaterialien zu arbeiten. Die 1000 m2 große Halle wird mit Holzbausystemen bzw.Modulboxen möbliert, die an die Bedürfnisse der Mieter angepasst werden. „Wirbauen ungefähr 150 Arbeitsplätze. Seit einem Jahr sind wir mit interessiertenMieter(inne)n in Kontakt und fragen sie, was sie konkret brauchen. Das heißt,es wird zweistöckig werden, es wird viele Freiräume geben, es wird das Dachgeöffnet, damit Licht reinkommt und es wird einen Nutzgarten geben. Inzwischenhaben wir 220 ernstzunehmende, interessierte Mieter(innen)“, berichtet Steindl.Der Start der Umbauarbeiten ist im Frühjahr 2024 geplant. Wenige Monate später,im Sommer 2024, sollen die ersten Mieter einziehen.

Um die Hallen bereitsjetzt für die Menschen zu öffnen, lädt CampusVäre einmal in der Woche zumMittagessen ein, bietet Campusführungen an und veranstaltet Festivals. AnfangOktober (siehe Factbox) findet das zweite Festival zur Entwicklung der Zukunftstatt. Am ersten Tag steht die Eröffnung des ersten Bauteillagers inWestösterreich am Programm.

Daten undFakten

FEZ’23 – 2. Festival zur Entwicklung der Zukunft in der CampusVäre
(6. bis 15. Oktober 2023)

Das Programm*

Freitag, 6.Oktober

18 Uhr:Ausstellungseröffnung „Beyond Aestethics“ der Kunstuniversität Linz –Industrial Design und Neueröffnung des ­designforum Vorarlberg in derCampusVäre, Eröffnung des ­ersten Bauteillagers in Westösterreich

Samstag, 7.Oktober

14 Uhr: Impuls und Vortrag „Bauteile ernten – System, Recht und Anwendbarkeit eines Systems“
19 Uhr: Art-Dinner, Intervention und Performance des interdisziplinären Food-Design Kunstduos honey & bunny

Sonntag, 8.Oktober

18 Uhr: Filmvorführung„The Green Lie“ und anschließendes Gespräch mit dem Regisseur Werner Bote

Montag, 9.Oktober

14.30 Uhr: Kreislaufwirtschaftin der Textil­fabrik: Betriebsrundgang durch das Kleider­sortierwerk Carla Texin Hohenems (14.30 Uhr, Abfahrt CampusVäre, 16 Uhr, Rückfahrt)

17.15 Uhr: VortragGünter Grabher (Grabher Group/Smart ­Textiles Plattform Austria)

18 Uhr: Frage-und Diskussionsrunde mit ­Umtrunk

Dienstag, 10.Oktober

18–19 Uhr: CampusVührung„Zirkuläres Bauen einer Werkstatt zur Entwicklung der Zukunft“

Mittwoch, 11. Oktober

14–17 Uhr: Symposium:„Post Growth Un­design“ – Welche Art von Wachstum brauchen wir und wie lässt essich gestalten?

Donnerstag, 12.Oktober

14–16.30 Uhr:Workshop „Resilienz“ mit Sabine Duelli und Simone Neier

15–16 Uhr: Präsentation„Regernative Food ­Systems“

Freitag, 13.Oktober

15–17 Uhr: Kinderworkshop

18–19 Uhr: CampusVührung „Zirkuläres Bauen einerWerkstatt zur Entwicklung der Zukunft“

Samstag, 14.Oktober

10–12 Uhr: Impuls& Diskussion zum Thema
Museum/Demokratie

*Änderungen vorbehalten

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