Grazer "Hoffmanns Erzählungen" als Regie-Kaleidoskop
Drei Akte und eine Rahmenhandlung rund um E.T.A. Hoffmanns fantastisch-unheimliche Geschichten haben vier Regieteams in der Grazer Oper die Möglichkeit gegeben, sich zu Beginn der Intendanz von Ulrich Lenz mit „Hofmanns Erzählungen“ zu präsentieren. Herausgekommen ist ein – naturgemäß – abwechslungsreicher Abend, der durch Film, Puppen und interessante Choreografien beim Publikum bei der Premiere am Samstag großen Anklang fand.
Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ wird ungefähr in jedem Opernhaus in einer etwas anderen Fassung aufgeführt, Material lieferte der Komponist, der das Werk als Fragment hinterließ, ja reichlich. Die letzten beiden Grazer Inszenierungen wählten einiges aus, was diesmal nicht zu hören ist (und nicht unbedingt abgeht), dafür wurde die „Spiegelarie“, einer der Hits dieses Werks, gestrichen.
Vier Regieteams zu beschäftigen ist gerade bei dieser Oper durchaus möglich, da drei ganz unterschiedliche Geschichten erzählt werden, und das machte nun jeder und jede anders. Für die Rahmenhandlung zeichnete Tobias Ribitzki verantwortlich. Er zeigte Hoffmann als stillen Zecher, der von der Muse animiert wird, endlich etwas zu schreiben. Ein einfacher Tisch, eine Kerze, ein Weinglas – so schlicht, so gut. Der Chor der Studenten kommt nicht als lustige Saufrunde daher, sondern wirkt wie eine Bande von Verschwörern. Am Ende erscheinen alle drei Frauengestalten zusammen mit dem Chor, was die Handlung inhaltlich abrundet.
Ganz anders der Zugang vom Künstlerkollektiv 1927, das den Olympia-Akt umsetzte. Stummfilm-Ästhetik, Trickfilm und Animation gehen da ineinander. Olympia muss nur den Kopf durch die Leinwand mit den Projektionen stecken, dann geht die rasante Liebesgeschichte los, Tauben, Herzchen, Liebespfeile und ein wenig Rotlicht-Atmosphäre inklusive. Umso härter kommt Hoffmann auf den Boden der Realität zurück als er merkt, dass die Angebetete nur ein Automat ist.
Die Welt der zerbrechlichen Künstlerin Antonia stattete Neville Tranter mit Klapppuppen aus, die jeweils vom Sänger, dessen Rolle sie verkörpern und einer zweiten Person bedient werden. Nur Antonia, Hoffmann und Niklaussee werden nicht von Puppen dargestellt, die Sicht auf diese Figuren bleibt unverstellt. Es ist ein netter Klamauk, aber es untergräbt die Tragik dieser Szene, ganz besonders der Auftritt der Mutter verpufft total.
Wieder völlig anders zeigte sich der Giulietta-Akt, den Nanine Linning gestaltete. Wie in einer griechischen Tragödie erscheint ein gleichförmig mit blauen Gewändern ausgestatteter Chor, dazwischen glitzert die Kurtisane in Silber. Eine düstere Atmosphäre beherrscht die Szene, die schon von der Musik her eher gedämpft ist. Optisch das klarste Bild, das von einem Spiegelwürfel beherrscht wird, in dem alles möglich scheint – oder alles nur Täuschung ist.
Musikalisch war der Abend von unterschiedlicher Qualität: Überzeugend war das farbenreiche, präzise Dirigat von Johannes Braun, der nun Erster Kappellenmeister an der Grazer Oper ist und die ambitioniert spielenden Grazer Philharmoniker leitete. Anna Brull konnte als Niklaussee und Muse in jedem Augenblick und jedem ihrer starken, schönen Töne überzeugen. Wunderbar auch Tetjana Miyus, deren Antonia von Wärme und Strahlkraft, aber auch zartestem Piano erfüllt war. Den unglücklichen Hoffmann gab Matthias Koziorowski, dem die nötige stimmliche Durchschlagskraft etwas abging und der in den Höhen angestrengt klang. Petr Sokolov hatte die vier dunklen Gestalten übernommen und war zwar darstellerisch großartig, stimmlich fehlte ihm aber jegliche Dämonie. Giulietta und Antonias Mutter waren bei Mareike Jankowski in guten Händen, von Tetiana Zhuravels Olympia hätte man sich mehr perlende Leichtigkeit gewünscht. Peter Oh, Daheo Kim und Mario Lerchenberger übernahmen jeweils mehrere Rollen und sangen verlässlich, Neven Crinc als Schlemil zeigte stimmlich Profil. Das Publikum war von diesem im wahrsten Sinn bunten Abend begeistert und spendete langen Applaus.
(S E R V I C E – „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach in der Grazer Oper. Dirigent: Johannes Braun, Inszenierung: Tobias Ribitzki / 1927 / Neville John Tranter / Nanine Linning. Hoffmann: Matthias Koziorowski, La Muse/Nicklausse: Anna Brull, Olympia: Tetiana Zhuravel, Antonia: Tetiana Miyus, Giulietta: Mareike Jankowski, Lindorf/Coppélius/Dapertutto/Dr. Miracle: Petr Sokolov, Andrès/Cochenille/Pitichinaccio/ Frantz: Peter Oh, Luther/Crespel: Daeho Kim, Nathanaël/Spalanzani: Mario Lerchenberger, Stimme der Mutter: Mareike Jankowski, Schlemihl: Neven Crnić. Nächste Vorstellungen: 5., 11., 15., 18., 27. Oktober, 5., 10., 18., 26. November, 3., 8., 13., 29. Dezember 2023 und 6. Jänner 2024. )
(APA)
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