"Il Trittico" an der Staatsoper: Ein ungleiches Trio

Jeder stirbt für sich allein. Und er steht auch für sich allein. Zumindest streckenweise in Tatjana Gürbacas Interpretation von Puccinis Triptychon „Il Trittico“, das am Donnerstag den Premierenreigen an der Wiener Staatsoper einläutete. Die Hausdebütantin behandelt die drei Teile des Konglomerats unabhängig voneinander, reizt das Mosaik der Tonalitäten vollends aus und bekam am Ende eine ebenso die Extreme auslotende Publikumsreaktion zwischen Buhs und Bravos präsentiert.

Regiekräfte stehen bei der Trias aus dem Beziehungsdrama „Il Tabarro“, dem sentimentalen Glaubensrührstück „Suor Angelica“ und dem Bufforeigen des „Gianni Schicchi“ stets vor der Frage, wie und ob man einen gemeinsamen Bogen über die Werke spannen will oder sie in ihrer Eigenständigkeit belässt. Die Berlinerin Gürbaca geht das Ganze mit einem etwas überraschendem Understatement an. Sie steigert sich nach zwei Teilen in absolutem Minimalismus aus Nichtraum und Nichtaktion am Ende zu einer geschickten Inszenierung des Commedia dell’arte-Gewusels im „Schicchi“. Hier gelingt mit einem Male auch die Personenführung.

Ganz anders stellt sich da der „Tabarro“ dar, in dem sich die Arbeit von Bühnenbildner Henrik Ahr auf den Neonschriftzug „Schwer Glücklich Sein“ beschränkte. Gürbaca positioniert die Sänger an der Rampe, oftmals nicht nur emotional weit voneinander entfernt, nur begrenzt interagierend. Die einzige Aktion findet im Hintergrund statt, wo stetig Personage die Bühne quert. Wenn Häuser einen Abend als „semiszenisch“ ankündigen, ist meist mehr Gestaltung zu erleben.

Wie wenig es an Bühnenelementen braucht, wenn man einen charismatischen Sänger hat, zeigte dabei der deutsche Starbariton Michael Volle als Mörder aus Eifersucht samt final-suizidalem Kehlenschnitt a la Haneke. Wie viel es im anderen Fall bräuchte, zeigte sich indes an einigen der anderen Darsteller, darunter Anja Kampe als untreue Ehefrau Giorgetta.

Ihr erschwerte ebenso wie Joshua Guerrero als Luigi, dass der am Ende einhellig umjubelte Musikdirektor Philippe Jordan am Pult einen seiner prononciertesten Abende ablieferte. Im „Tabarro“ geht er dabei in die Antagonismen und wechselt von Debussy’schem Impressionismus zu Passagen am Anschlag. Im letzteren Fall wird mancher aus der Sangesriege so zu ungesundem Forcieren genötigt.

Insgesamt ist dieser Abend eher einer der Routiniers, dominierte Volle doch den „Tabarro“, während Michaela Schuster als Fürstin in der „Suor Angelica“ in kühler Arroganz überzeugte und Ambrogio Maestri als Titelfigur in „Gianni Schicchi“ die Bühne beherrschte. Allerdings überzeugte als Suor Angelica auch Eleonora Buratto mit dramatischem und doch verletzlichem Sopran.

Viel lenkte auch in diesem Mittelwerk des Tryptichons nicht von der Stimme der Italienerin ab, einzig die Neon-Worte „Schwer“ und „Glücklich“ hatten sich mittlerweile verabschiedet und dem bedeutungsschweren „Sein“ den Platz an der Sonne überlassen. Dass Gürbaca mehr als nur die Rampe bespielen kann, stellte sie dann erst im „Schicci“ unter Beweis. Alles in allem ist dieses „Trittico“ ein (kosten)reduzierter Abend für die Staatsoper – zumindest dürften in der Bühnenwerkstatt für diese Arbeit keine Überstunden angefallen sein.

(S E R V I C E – „Il Trittico“ von Giacomo Puccini an der Staatsoper, Opernring 2, 1010 Wien. Musikalische Leitung: Philippe Jordan, Regie: Tatjana Gürbaca, Bühne: Henrik Ahr, Kostüme: Silke Willrett. „Il Tabarro“: Michele – Michael Volle, Giorgetta – Anja Kampe, Luigi – Joshua Guerrero, Tinca – Andrea Giovannini, Talpa – Dan Paul Dumitrescu, Frugola – Monika Bohinec, Liederverkäufer – Katleho Mokhoabane, Liebespaar – Florina Ilie/Ted Black. „Suor Angelica“: Angelica – Eleonora Buratto, Fürstin – Michaela Schuster, Äbtissin – Monika Bohinec, Lehrmeisterin – Patricia Nolz, Schwester Eiferin – Daria Sushkova, Schwester Genoveva – Florina Ilie, Schwester Pflegerin – Isabel Signoret, Almosensucherin – Anna Bondarenko. „Gianni Schicchi“: Gianni Schicchi – Ambrogio Maestri, Lauretta – Serena Sáenz, Zita – Michaela Schuster, Rinuccio – Bogdan Volkov, Gherardo – Andrea Giovannini, Nella – Anna Bondarenko, Betto di Signa – Clemens Unterreiner, Simone – Dan Paul Dumitrescu, Marco – Attila Mokus, La Ciesca – Daria Sushkova, Maestro Spinelloccio – Hans Peter Kammerer, Amantio di Nicolao – Simonas Strazdas. Weitere Aufführungen am 7., 13., 16., 20. und 23. Oktober sowie am 14., 17., 20. und 24. Februar 2024. Am 7. Oktober zeitversetzt auf Ö1. )

(APA)

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