Metalband Lorna Shore begeisterte Fans im Wiener Gasometer
Die US-amerikanische Metalband spielte am Mittwochabend im ausverkauften Wiener Gasometer.
Kathartischer Lärm? Ja, den liefern Lorna Shore bestimmt. Die US-amerikanische Metalband, zwischen anspruchsvollem Deathcore, schwarzmetallischen Einsprengseln und symphonischer Größe angesiedelt, hat derzeit einen Lauf. Nachdem ihr Nova-Rock-Auftritt im Sommer Lust auf mehr machte, wurde Mittwochabend das ausverkaufte Wiener Gasometer zerlegt, sehr zur Freude der rund 3.200 Fans. Wenn die Tage immer kürzer und kälter werden, scheint dieser Sound genau das Richtige.
Lorna Shore sind wichtige Adresse im Metal der dunkelsten Sorte
Nicht erst seit dem Einstieg ihres aktuellen Sängers Will Ramos, der sich auf infernalisches Grunzen ebenso versteht wie gutturale Growls, sind Lorna Shore eine wichtige Adresse im technisch anspruchsvollen Metal der dunkelsten Sorte. Aber spätestens der Song „To the Hellfire“ und die dazugehörige EP „…And I Return to Nothingness“ brachten 2021 mehr Aufmerksamkeit – und neue Fanschichten. Mit dem mächtigen Album „Pain Remains“ bestätigte die Gruppe im Jahr darauf ihren Erfolg. Nun ist man ausgezogen, die Früchte zu ernten.
Die gestrige Wien-Show markierte den Halbzeitpunkt der aktuellen Europatour, 14 von insgesamt 27 Gigs sind absolviert. Ein dichtes Programm für Gitarrist Adam De Micco und seine Kollegen. „Jetzt geht es nur noch bergab“, scherzte der Musiker vor dem Auftritt im APA-Interview. „Nein, es war bisher einfach großartig. Ich muss gestehen, dass meine Erwartungen bei weitem nicht so hoch waren. Es ist definitiv eine gute Art, das Jahr zu beenden. Wir sind knapp vor dem Ziel, ein Zyklus kommt zu seinem Ende.“
Messerscharfe Riffs und brutales Drumming im Wiener Gasometer
Wenn es das vorläufige Ende einer Reise sein sollte, dann war es ein äußerst eindrucksvolles: Etwas mehr als eine Stunde lang gab es messerscharfe Riffs, brutales Drumming und mit Ramos einen Entertainer, der das Publikum mit Leichtigkeit um den kleinen Finger wickelte. Egal, ob es der Opener „Welcome Back, O‘ Sleeping Dreamer“, das ältere „Immortal“ oder die von allen sehnsüchtig erwartete „Hellfire“-Darbietung war: Hier saß jede Bewegung, wurde die Menge eindrucksvoll durch die verschiedenen Stadien der Entzückung geführt, wobei der charismatische Frontman stimmlich keine Wünsche offen ließ und die Musiker immer wieder von aus dem Boden lodernden Flammen umrahmt wurden.
Dass der Erfolg aber alles andere als selbstverständlich ist, machte nicht nur die energetische Bühnenperformance des Quintetts deutlich. „Ich kann es nicht wirklich erklären, warum es jetzt so läuft, und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr brummt mir der Schädel“, grinste De Micco darauf angesprochen. „Wir sind ja unseren musikalischen Weg eigentlich nur konsequent weitergegangen. Wahrscheinlich sind wir einfach besser in dem, was wir tun und wie wir klingen. Aber das sind immer noch wir! Anstatt also die Magie zu verscheuchen, indem man es zu verkopft angeht, will ich mich einfach dem Moment hingeben.“
Moshpits beim Konzert im Wiener Gasometer
Ein guter Hinweis auch für das Konzertpublikum, das nichtsdestotrotz vielfach mit gezückter Handykamera in dicht gedrängten Reihen hin- und her schwappte. Je länger die feurige Show dauerte, umso öfter aber gab der Moshpit den Ton an. Dass Lorna Shore ihre Anhänger mit brachialer Gewalt nicht erdrücken, lag auch an den symphonisch unterlegten Abschnitten, die besonders als Refrains hymnischen Charakter besaßen und zu eifrigen Mitsingabschnitten verleiteten – selbst wenn die Lyrics von Ramos hinsichtlich Verständlichkeit für genrefremde Personen eher nach einem Textblatt verlangten.
Ungeachtet ihrer Präzision und Professionalität hatte die Darbietung jedenfalls etwas umarmendes, einendes – kein Wunder, wenn die Vorfreude so groß ist. Bei Lorna Shore selbst blickt man hingegen wohl eher schon auf nächstes Jahr und eine wohlverdiente Pause. „Oft fällt es ja schwer, das Erreichte wirklich zu genießen“, rekapitulierte De Micco. „Mich erwischt es manchmal kalt. Beispielsweise gestern, als wir durch diesen kleinen Weihnachtsmarkt in Wien spaziert sind und ich dachte: Passiert das gerade wirklich? Sind wir hier?“ Das Tourleben halte eben doch manche Überraschung bereit.
Der Musiker freut sich jedenfalls auf die Auszeit. „Wenn du zu tief drin steckst in der Tour, dann kannst du es manchmal nicht wirklich wertschätzen. Es ist einfach eine verrückte Reise für uns. Wenn ich daran danke, wo wir vor ein paar Jahren waren und wo wir jetzt stehen – da erkenne ich uns fast nicht wieder. Man kann sich leicht verlieren in diesem Zustand.“ Wichtig sei einfach, authentisch zu bleiben und ehrlich mit sich sowie der Musik umzugehen. Der Rest komme dann von allein.
(Christoph Griessner/APA/Red)
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