Parallel Vienna bespielt heuer das Otto-Wagner-Areal
Zwischen Jugendstilarchitektur und historischen Altlasten startet am morgigen Dienstag die elfte Ausgabe der „Parallel Vienna“. Erstmals findet die alternative Kunstmesse in drei Jugendstil-Pavillons des großen Otto-Wagner-Areals auf der Baumgartner Höhe statt, auf dem sich die Anstalt „Am Spiegelgrund“ während des Nationalsozialismus befand. Die 11. Ausgabe des Events bringt von Dienstag bis Sonntag Galerien, Offspaces, Kunstvereine sowie Einzelpräsentationen zusammen.
Nach zwei Jahren in der Semmelweisklinik in Wien-Währing geht es heuer über die Dächer des 14. Bezirks: Dort werden ungefähr 150 Räume in drei Pavillons des Otto-Wagner-Areals auf der Baumgartner Höhe auf vielfältige Weise von rund 600 Kunstschaffenden bespielt. Die Klinik Penzing, die aktuell aus dem Areal abgesiedelt wird, betreibt noch etliche Pavillons, einige davon psychiatrische Stationen um das bespielte Gelände. Deswegen bat der künstlerische Leiter Stefan Bidner im Pressegespräch am Montag Medienvertreter sowie Besucherinnen und Besucher um entsprechende Rücksicht.
Für Bidner stellt „Kunst und Kultur in dieses Areal zu bringen“ eine sinnvolle Vorgehensweise bezüglich der schrecklichen Geschichte des Geländes dar. Denn während des Nationalsozialismus wurden hier in der Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ von 1940 bis 1945 kranke, behinderte und „schwer erziehbare“ Kinder und Jugendliche gequält und etliche von ihnen ermordet.
Mit der Geschichte des Areals beschäftigen sich auch einige der Räume. So fasst etwa Kuratorin Mila Palm eine Sammlung von historischen Alltagspostkarten zu einem „Bildatlas der Unterdrückung“ zusammen. Unter dem Deckmantel des Humors wurden Frauen auf Postkarten heruntergemacht und gewaltvoll zum Schweigen gebracht. Die Bildsprache ähnelt dabei dem Bild von der „hysterischen Frau“ – tausende vermeintlichen Hysterikerinnen wurden um die Gründung der damaligen Anstalt „Am Steinhof“, die 1907 eröffnet wurde, eingewiesen.
Gesellschaftskritisch sind auch andere Installationen: So stellen etwa Bianca Ion und Hawy Rahman mit „Einblicke – Ausblicke – Weitblicke“ dem europäischen Urlaubsidyll des Meerstrandes die Fluchterfahrung, symbolisiert durch Stacheldraht und den Spruch „Frontex passt auf sie auf“, gegenüber.
Der schöne Eindruck, den man beim Schlendern durch den zwischen den Pavillons eingerichteten Skulpturenpark, von dem aus man durch die Baumkronen das Funkeln der goldene Kuppel der nahen Otto-Wagner-Kirche sieht, von der neuen Location bekommt, steht immer wieder im Kontrast zu den aufrüttelnden Kunstwerken.
Erschreckend wird es etwa auch unter dem Titel „Horror Vacui“. In zwei Räumen von Pavillon 24 wird von 120 Positionen mit dem Thema der „Angst vor der Leere“ gespielt: Von allen Seiten prangen die Werke von renommierten Künstlern, aber auch von Studentinnen und Studenten verschiedener Kunstuniversitäten. Besuchende müssen sich hingegen nicht vor der Leere fürchten – die Parallel Vienna bietet auch dieses Jahr wieder zeitgenössische Kunst in einem Umfang, der mehr als tagesfüllend ist. Gegenüber der APA rät Bidner deswegen dazu, sich Zeit zu lassen, „um das alles angemessen wirken zu lassen“.
Auf Performances und ein vielseitiges musikalisches Programm wird es wieder geben. In einer ehemaligen Küche nahe dem Pavillon 16 wurde eigens dafür eine Bühne eingerichtet, auf der auch bis in die späten Abendstunden im Rahmen von DJ-Sets die Bässe wummern – etwa auch am Samstag in Kooperation mit dem bekannten „Lighthouse Festival“ zur Closing Party.
Der Schulbeginn ist dieses Jahr generell Startschuss für einen heißen Kunstherbst: Die 11. Ausgabe der Parallel Vienna findet wie gewohnt gleichzeitig zur „großen“ viennacontemporary statt. Am kommenden Wochenende steht außerdem die Eröffnung des Galerienfestivals „Curated by“ auf dem Programm, das bis 14. Oktober verschiedene Wiener Kunstorte bespielt.
(S E R V I C E – )
(APA)
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