Musikerin Róisín Murphy gelang mit Geduld eine "Hit Parade"

Róisín Murphy fügt ihrer an Highlights nicht armen Karriere ein weiteres Ausnahmekapitel hinzu: Mit „Hit Parade“ veröffentlicht die irische Sängerin, die sich Ende der 1990er mit dem Duo Moloko in die Charts hievte, ihr bisher bestes Soloalbum. Geholfen hat ihr dabei der exzentrische deutsche Soundtüftler Stefan Kozalla alias DJ Koze. „Es war wirklich eine wunderbare Reise bis hierher“, verriet Murphy über die gemeinsame Arbeit, die sich über sechs lange Jahre erstreckte.

Der Aufwand hat sich jedenfalls mehr als gelohnt. Zusammengefunden haben Murphy und DJ Koze für dessen Platte „Knock Knock“ (2018), auf der die Sängerin mit der markanten Stimme zwei Songs veredelte. Kozalla hatte im Zuge dessen die Idee, eine ganze Platte für sie zu produzieren. „Er ist einfach voller Überraschungen. Aber ich bin sehr offen in diese Zusammenarbeit gegangen“, erinnert sich Murphy im APA-Interview über den Start. „Es musste nach seinem Tempo, seinen Vorstellungen gehen. Also habe ich mir dieselbe Software wie er besorgt, und wir haben über Jahre hinweg fast wie bei einem Hobby daran gewerkt.“

Über große Distanzen wurden so Songskizzen hin und her geschickt. „Manchmal war es intensiver, dann war es für längere Zeit wieder sehr ruhig, weil wir uns anderen Dingen widmeten. Unseren echten Jobs, könnte man sagen“, schmunzelt Murphy. „Dann ging es aber weiter. Und irgendwann war es dann einfach fertig.“ Wobei das simpler klingt, als es manchmal war, tendierte DJ Koze mitunter doch zu Sprunghaftigkeit und habe manch fertigen Track einfach komplett über den Haufen geworfen. „Es gab natürlich Zweifel. Und es gibt einige Songs, die es fast nicht aufs Album geschafft hätten, wäre ich nicht so hartnäckig gewesen“, nickt die Musikerin. „In diesen Phasen war es mein Job zu sagen: Keine Sorge, es wird okay! Wir finden einen Weg, alles ist brillant.“

Tatsächlich wäre es um jede Sekunde Schade gewesen: Vom dunkel gefärbten Opener „What Not to Do“ über den leichtfüßigen Sommerhit „CooCool“, das discoinfizierte „The House“ oder das auf den Tanzboden zielende „You Knew“ bis zum vor allem stimmlich sehr experimentellen „Two Ways“ – kaum ein Genre aus Murphys bisherigem Schaffen wird ausgelassen. Und dennoch klingt das Album wunderbar wie aus einem Guss, bietet Trip-Hop, Jazz, Funk, Soul und natürlich reichlich Pop. Wie es nach dem cluborientierten Vorgänger „Róisín Machine“ (2020) dazu kam? Jedenfalls nicht mit großem Plan. „Stefan weiß nicht wirklich wonach er sucht, bis er es schließlich hört. Sein Gehör ist einzigartig. Und er ist unbarmherzig: Wenn es nicht passt, er nichts dabei fühlt, landet es im Müll.“

So kam es etwa, dass Murphy für „The House“ zunächst über „den besten Backingtrack meines Lebens“ singen durfte – nur um einige Zeit später ein völlig anderes Stück zurückzubekommen. „Er hat das verdammt noch mal einfach weggenommen und geändert!“, kann sie mittlerweile darüber lachen. „Das war schwer zu verdauen für mich. Aber was nun herausgekommen ist, klingt unglaublich.“ Auch bei „Two Ways“ habe es Jahre gedauert, bis die finale Version fertig war – von Countrysoul zum Soundexperiment. „Auf lange Sicht war es sicher der richtige Schritt, dem Album diese Farbe hinzuzufügen.“

Wie habe sie DJ Koze aber von ihren Vorstellungen überzeugen können? „Ich kann das, ich bin eine gute Kollaborateurin. Ich bin bereit, überrascht zu werden, habe aber eine wirklich starke Meinung.“ Das sei auch für ihren Hit „Ramalama (Bang Bang)“ vom Solodebüt „Ruby Blue“ (2005) wichtig gewesen. „Matthew Herbert, der das Album produziert hat, konnte mit diesem Track nichts anfangen“, erinnert sich Murphy. „Als er ihn streichen wollte, lag ich am Boden und heulte. Letztlich hat er sich überwunden, weiter daran zu arbeiten – und hat jede Sekunde gehasst!“, lacht die Sängerin. „Aber ich hatte Recht. Es ist eine meiner größten Nummern überhaupt.“

Durchsetzungsvermögen und eine klare Vision haben Murphy ohnehin immer schon ausgezeichnet. Wobei es früher durchaus hart gewesen sei, erinnert sie sich an ihre ersten Schritte im Musikbusiness Mitte der 1990er. „Müsste ich dahin zurück, wäre es der totale Horror für mich. Die Musikindustrie ist heute auch schwierig, aber damals? Es war schrecklich. Du bist als Künstlerin keinesfalls ermutigt worden, über die Geschäftsseite nachzudenken. Alles war so undurchsichtig. Hast du im Radio, im Fernsehen oder den Musikmagazinen nicht funktioniert, musstest du neu anfangen. Du warst am Ende! Heute gibt es wiederum so viele Kanäle, über die du dich vermarkten kannst. Das ist zwar durchaus ermüdend, aber du kannst sehr viel im Do-It-Yourself-Modus machen.“ All das seien Gründe, warum sie noch da ist. „Ich habe die volle Kontrolle“, grinst Murphy. „Ich bin eine Superbitch.“

Textlich setzt Róisín Murphy auf Kontinuität. „Meine Themen sind ja recht klar über alle Platten hinweg, es ist nicht wirklich kompliziert“, rekapituliert sie. „Ich habe eine Tendenz zu einer unterwürfigen Position, die sich irgendwie sexy anfühlt. Und dann gibt es Aspekte wie Freiheit oder Individualität und Unabhängigkeit, die zentral sind. Diese Platte ist einfach so freudvoll und kommt damit wohl dem Moloko-Debüt ‚Do You Like My Tight Sweater?‘ am nächsten. Es fühlt sich wie eine Renaissance an.“ Also ein Blick zurück oder doch in die Zukunft für die seit Juli 50 Jahre alte Sängerin? „Wahrscheinlich ein bisschen von beidem.“ Für sie steht aktuell jedenfalls fest, dass das kreative Ende noch lange nicht erreicht ist: „Es wird immer einen weiteren Zug auf diesem Spielbrett geben.“

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E – )

(APA)

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