"Solitaire": Wiener Geiger Fleischmann mit Camouflage-CD
Das Konventionelle interessiert Johannes Fleischmann herzlich wenig. Der 1983 geborene Wiener ist als Violinist ein Tausendsassa, der zwischen der Auseinandersetzung mit den Preziosen der Klassik, dem volkstümlichen Zugang der Neuen Wiener Concert Schrammeln und dem Popgestus der Symphoniacs changiert. Fleischmann tanzt einfach gerne auf vielen Hochzeiten. Dieser Tage erscheint nun mit „Solitaire“ seine neue CD – gleichsam eine Camouflage-Aufnahme mit großen Namen.
Schließlich hatte die Vorgängerplatte „Exodus“ mit Werken von Erich Wolfgang Korngold und Eric Zeisl einen entscheidenden Nachteil im aktuellen Musikgeschäft: Die einzelnen Sätze waren für die auf schnellen Wechsel angelegte Streamingwelt schlicht zu lange. „Challenge accepted“, erinnert sich Fleischmann im APA-Gespräch an die Vorbereitung für „Solitaire“. Und so versammelte er für die neue Platte bekannte Komponisten mit kurzen Stücken – die allerdings weitgehend unbekannt sind.
Allerdings ist Fleischmann bei der Konzeption der Programme keineswegs als Solitär unterwegs, sondern in Zusammenarbeit mit seinem Klavierbegleiter Christoph Ulrich Meier, mit dem er seit 2019 kooperiert. „Er ist eine Persönlichkeit, die viel bescheidener ist, als sie eigentlich sein müsste.“ Was beide eint, ist die Suche nach einer Erzählung, einem roten Faden für die gemeinsamen Projekte. „Ich liebe es, wenn die Geschichte stark ist. Ich will nicht copy/paste das machen, was eh alle vorlegen“, macht Fleischmann deutlich.
Das einigende Band von „Solitaire“ ist nun der unbekannte Charakter der Stücke, die von weltberühmten Komponisten stammen, allesamt geschrieben für die Kombination Violine und Klavier. Auf den ersten Blick wirkt dabei manches disparat, spannt sich der Bogen doch von Haydn über Rossini, Wagner und Schönberg bis zu Pärt (der wie Rossini nur in der Onlinevariante der Platte zu finden ist) und der Zeitgenossin Konstantia Gourzi.
Im Detail offenbaren sich dann aber Parallelen, Rote Fäden, Gemeinsamkeiten. Wagner und Schwiegervater Liszt, Zemlinsky und sein Schwager Schönberg liegen letztlich nicht so weit auseinander. Und die Griechin Gourzi hat die Lücken in Haydns Opernfragment „Philemon und Baucis“ mit eigenen Kompositionen gefüllt, zu denen auch die nun in Violine-Piano-Fassung zu hörende „Aria“ gehört. Dass sie am gleichen Tag wie der Eisenstädter Meister Geburtstag hat, ist da nur das Sahnehäubchen.
Präsentiert wird dieser Solitaire – im Doppelsinn aus Edelstein und Einsamkeit – am 26. September in Washington D.C. Daraufhin geht es weiter nach New York, bevor Fleischmann beim Woodstock Film Festival zur Weltpremiere von Matthew Mishorys Dokumentarfilm „Fioretta“ mit Randy Schoenberg aufspielt. „Ich bin vielseitig aufgestellt“, umschreibt Fleischmann seine Leidenschaft für den Klang in all seinen Ausprägungen: „Musik ist Musik. Und ich mag nicht, wenn wir uns ins eigene Fleisch schneiden und hier Trennungen einführen.“ Die Concert Schrammeln verkörpern für ihn Freiheit und Humor, während die Symphoniacs Partystimmung bedeuten.
In den Augen Fleischmanns könnten die einzelnen Bereiche durchaus voneinander lernen. „Die klassische Musik ist noch nie so konservativ aufgeführt worden wie in unserer Zeit“, unterstreicht der Violinist. Früher hätten die Menschen ganz selbstverständlich zwischen einzelnen Sätzen applaudiert. Zugleich müsse man nicht zuletzt dank Social Media konstatieren: „Wenn man es global betrachtet, war die Klassische Musik noch nie so erfolgreich wie jetzt.“
Das Digitale stelle also keine Bedrohung für den Klassikbetrieb dar, im Gegenteil: „Ich bin unendlich froh, dass KI endlich in der klassischen Musik angekommen ist. Das wird zwar viele Jobs kosten in der kommerziell produzierten Musik, zugleich wird KI die Kreativszene unglaublich beleben.“ Und eine von der KI komponierte Musik werde sich nie so menschlich anfühlen können, dass man im Konzertsaal in Tränen ausbreche.
Reizt einen solche umtriebigen Denker seiner Zunft nicht der Wechsel in die Intendantenschaft? Schließlich ist Fleischmann, der als Solist seit 2009 vom Musikverein über das Konzerthaus, von der Carnegie Hall bis zur Tokioter Suntory Hall präsent ist, seit dem Vorjahr bereits Leiter der von ihm gegründeten „Althofener Meisterklassen“ in Kärnten.
„Ich möchte mein ganzes Leben mit der Geige verbringen – dazu habe ich mich schon als Kind entschieden“, stellt Fleischmann klar. „Aber ich hatte schon immer den Wunsch zu gestalten“, konzediert der Wiener zugleich: „Ein Konzerthaus zu gestalten, das neu gebaut wird, das wäre schon ein großer Reiz.“ Auch hier will Johannes Fleischmann im Fall der Fälle also keine ausgetretenen Pfade nachgehen.
(S E R V I C E – )
(APA)
Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel